Eldenaer Jazz Evenings Greifswald


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Eldenaer Jazz Evenings Greifswald

Eldenaer Jazz Evenings Greifswald


Wenn man einmal theoretisch annehmen würde, dass Veranstaltungen so etwas wie eine DNA hätten, dann dürften sich die Schöpfer der Eldenaer Jazz Evenings seinerzeit besonders viel Mühe bei der Zeugung ihres gemeinsamen Kindes gegeben haben. Die romantische Kulisse einer mittelalterlichen Klosterruine, davor ein paar spielende Kinder, eine Wiese auf der die Leute entspannt der Musik lauschten, und Musiker die sich unter ihr Publikum mischten. Die Idylle des ersten Festivals sollte auch in späteren Jahren dessen Erscheinungsbild prägen, welches von vielen Musikkritikern gerne als Deutschlands lässigstes Jazzfestival betitelt wird. Das Bild täuscht aber leicht darüber hinweg, dass das Greifswalder Jazzfestival eine schwere Geburt hinter sich hatte, denn ihr Improvisationstalent mussten die Veranstalter schon am ersten Tag beweisen.

Der Rasen vor der Klosterruine machte einen recht verwilderten Eindruck und die Stromversorgung war dank eines demolierten Stromkastens nicht sichergestellt. Für die Mahd des Rasens engagierte man auf die Schnelle einen Anwohner, für die notwendigen Elektroarbeiten einen mit ihnen befreundeten Elektriker. Ausgeborgten Bänken und Stühlen boten Sitzgelegenheiten, die verkauften Eintrittskarten waren selbstgebastelt und für die Verrichtung der Notdurft mussten seinerzeit noch die zahlreich auf dem Gelände vorhandenen Büsche herhalten. Dass trotz alledem schon beim ersten Mal an die fünfhundert Leute zur Klosterruine pilgerten, lag unter anderem auch an den geladenen Musikern. Neben den bekannten DDR-Jazzgrößen Günter Sommer und Ernst Ludwig Petrowski, konnten der italienische Perkussionist Andrea Centazzo und der westdeutsche Posaunist Albert Mangelsdorff für die ersten Eldenaer Jazz Evenings gewonnen werden.

Während Andrea Centazzo und Ernst Ludwig Petrowski seinerzeit als Duo auftraten, absolvierten Günter Sommer und Albert Mangelsdorff Soloauftritte. Höhepunkt des Abends sollte eine gesamtdeutsche Jam-Session werden, welche man insgeheim verabredet hatte, der Öffentlichkeit aber als rein zufällig verkaufte. Hierfür bat Albert Mangelsdorff seine drei Musikerkollegen auf die Bühne, eine Bitte, welche man als Jazzmusiker nicht ernsthaft ablehnen konnte. Dass anschließend die Presse, selbst im Neuen Deutschland fand sich ein größerer Artikel wieder, sehr positiv über das musikalische Ereignis berichtete, dürfte dem weiteren Erfolg des Greifswalder Jazzfestivals wohl alles andere als geschadet haben. Der Weg bis dahin war aber steinig und stark vom Misstrauen des Staates gegen die studentischen Initiatoren geprägt. Auf die Idee ein eigenes Jazzfestival zu organisieren, kamen einige jazzbegeisterte Studenten an einem der sogenannten Schallplattenabende, bei denen man den Mangel an Tonträgern mittels Kasettenmitschnitten kompensierte, nach einigen Gläsern Bier.

Um ihren Traum realisieren zu können, gründeten sie im Studentenclub Kiste die Arbeitsgemeinschaft Jazz. Die Kirchenfeindlichkeit der DDR manifestierte sich übrigens auch in der Namenwahl des Jazzfestivals. Da der ursprünglich angedachte Namen Klosterjazz politisch nicht durchsetzbar war, freundete man sich schnell mit dem Vorschlag des damaligen Kulturverantwortlichen der Stadtverwaltung an, das Festival ganz einfach Eldenaer Jazz Evenings zu nennen. Es ist daher eine Ironie der Geschichte, dass dieser Anglizismus von ebenjenem Staat durchgesetzt wurde, der ansonsten ein großes Problem mit der Verwendung von Anglizismen hatte. Dass sich die Gründer der Eldenaer Jazz Evenings sich politisch auf dünnem Eis bewegten, machte sich auch in der Auswahl der Farben bemerkbar, mit denen die Plakate der ersten Festivals gestaltet werden konnten. Nachdem die Domgemeinde ein Transparent mit der Aufschrift Jesus lebt am Dom anbrachte, wurden die Farben Gelb und Lila mit der die Kirche assoziiert und waren daher tabu.

Das war aber ein zu vernachlässigbares Problem, deutlich schwieriger war es die Finanzierung weiterer Festivals zu sichern. Mit etwas Glück und persönlichen Beziehungen gelang es, das Kernkraftwerk Bruno Leuschner als Geldgeber zu gewinnen, welches bis zur Wende die Existenz des Jazzfestivals sicherte. In den Anfangsjahren bildete sich auch das musikalische Profil der Eldenaer Jazz Evenings heraus, welche ihrem Publikum auch Jazzformationen aus dem benachbarten Ausland präsentierte und einen künstlerischen Schwerpunkt beim Free Jazz hatte. Im Gegensatz zu anderen Jazzfestivals der DDR überlebten die Eldenaer Jazz Evenings die Wirren der Wendezeit. Seit dem Jahre 1990 sind das Kulturamt der Hansestadt Greifswald und der Kunstverein ART 7 die Veranstalter, die durch die Schließung des Kernkraftwerkes versiegenden Sponsorengelder konnten durch eine Medienpartnerschaft mit dem NDR Großteils kompensiert werden.

Seitdem Tilo Braune, seines Zeichens Mitgründer und langjähriger künstlerischer Leiter des Festivals, im Jahre 2013 den Staffelstab an das Greifswalder Kulturamt und den Chef des Greifswalder Jazzlabels WhyPlayJazz Roland Schulz abgab, sind zumindest einige kleine Veränderungen bei der Musikauswahl bemerkbar. Dank eines im Rahmen von Jugend Jazzt ausgelobten Konzertpreises haben talentierte Nachwuchsmusiker die Möglichkeit, sich bei den Eldenaer Jazz Evenings einem größeren Publikum präsentieren zu können. Den Anfang machte bei den Eldenaer Jazz Evenings 2016 das aus Nachwuchsmusikern des Landes Jugend Jazz Orchester Hessen gebildete Trio First Circle. Seit den Anfangsjahren hat sich bei den Eldenaer Jazz Evenings zwar Einiges geändert. Statt mit lodernden Fackeln werden die mittelalterlichen Mauern der Klosterruine durch elektrisches Licht illuminiert und für die Notdurft braucht man nicht mehr hinter einem der Büsche zu verschwinden, geblieben ist aber der besondere Charme des Jazzfestivals, das Jahr für Jahr hunderte Einheimische und Urlauber an denjenigen Ort lockt, der schon den Romantiker Caspar David Friedrich faszinierte.

Internet

www.greifswald.de

Termin

06. und 07. Juli 2018