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Herzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg sollte mit seinem Bad in der Ostsee den Grundstein für das erste Seebad Deutschlands legen. Schon ein paar Jahre später sollte Heiligendamm Konkurrenz bekommen, denn auch in Travemünde und Norderney begann sich langsam der Badetourismus zu etablieren. Im Jahre 1803 erwarb Graf Bothmer einen Badekarren, den er bei Boltenhagen an den Strand stellte und mit seiner Familie nutzte. Nur ein paar Kilometer weiter sollte es ein gewisser Heinrich Westphal sein, der sich einen solchen Badekarren besorgte und Badegästen zur Verfügung stellte. Im Gegensatz zu anderen Regionen an der Ostsee, auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst zog der Tourismus erst nach dem Erliegen der Segelschifffahrt ein, waren die Bewohner von Boltenhagen den Fremden gegenüber aufgeschlossen und entdeckten sie als lukrative Einnahmequelle, indem sie diesen ihre Häuser vermieteten. Diese erhielten sie übrigens dank der Einrichtung von sogenannten Büdnereien, welche nach der Aufhebung der Leibeigenschaft in Mecklenburg, den nun heimatlose gewordenen Bauern den Betrieb einer kleinen Landwirtschaft ermöglichen sollte.
Während die damaligen Büdner zuerst nur ihre Wohnungen vermieteten, begannen sie schon bald damit ihre Häuser zu erweitern oder neuzubauen. Mit dem Hotel Baltique eröffnete im Jahre 1838 die Erste Pension im Ort, schon vier Jahre zuvor kamen während der Saison über zweihundert Besucher am Tag nach Boltenhagen. Das Kurhaus Großherzog von Mecklenburg sollte im Jahre 1845 seinen Platz im Seebad finden, zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Anzahl der Besucher schon verdreifacht. Während sich der Adel in Heiligendamm vergnügte, sollte Boltenhagen ein Seebad für die Bevölkerung werden. Zu den bekanntesten Badegästen in dieser Zeit gehörte übrigens der Schriftsteller Fritz Reuter, welcher im Jahre 1855 Boltenhagen für sich entdeckte und immer wieder hierher fand. Mehr als fünfzig Mal sollte wiederum der in Wismar tätige Pfarrer Johann Joachim Hartwig Meyer nach Boltenhagen kommen, der die Entwicklung des Ostseebades wie kein anderer beeinflussen sollte.
Nicht nur dass er fleißig die Werbetrommel rührte, wenn er nicht in Boltenhagen weilte, er sammelte die Gelder für die Errichtung der Kirche zur Paulshöhe und ließ den Opfern des verheerenden Ostseesturmhochwassers des Jahres 1872 Hilfe zukommen. Ein Gedenkstein aus dem Jahre 1880 erinnert an sein Wirken, übrigens das Jahr in dem das erste Dampfschiff vor Boltenhagen ankern sollte. Die Passagiere konnten relativ bequem von Wismar oder Travemünde anreisen, mussten aber in kleine Boote umsteigen, in denen sie an den Strand gerudert wurden. Da die meisten Seebäder an der Ostseeküste inzwischen über mehr oder weniger repräsentative Seebrücken verfügten, welche einen bequemeren und sicheren Transport der Pasagiere ermöglichten, beschloss man in Boltenhagen den Bau eines solchen Landungsstegs. Dreihundert Meter sollte der Steg über das Meer führen, der im Jahre 1911 eingeweiht wurde. Auf der Landseite erwartete die Besucher ein Brückenhaus, welches im Vergleich zu den Seebrücken von Ahlbeck und Sellin als relativ schlicht zu bezeichnen war.
Gut dreißig Jahre sollte die Boltenhagener Seebrücke überdauern, bis sie im Winter des Jahres 1942 wie fast alle Seebrücken Mecklenburg-Vorpommerns ein Opfer von Eismassen wurde. Die relativ nahe Lage an der Grenze zur BRD sollte ein weiterer Grund sein, das Wahrzeichen des Ostseebades nicht wieder aufzubauen, zu groß war die Gefahr, dass sie einige Leute als eine Art Fluchthilfe hätten nutzen können. Bis zum Jahre 1992 mussten sich die Boltenhagener und ihre Gäste gedulden, bis man eine neue Seebrücke errichtete. Mit zweihundertneunzig Metern Länge ist diese etwas kürzer als der Vorgängerbau, auch auf ein Brückenhaus wurde verzichtet. Auch wenn man nicht mit einem Ausflugsschiff auf der Ostsee fahren möchte, lohnt es sich den Weg bis zum seeseitigen Ende der Seebrücke zurückzulegen. Von hier aus hat man wohl den besten Blick auf das Ostseebad Boltenhagen und die es umgebene Steilküste.